Neben dem Sightseeing und Fotografieren habe ich auch versucht meinen Telefonanschluss wieder zu aktivieren. In Agra ist mir der Saldo alle gegangen und die 10 Euro, die ich aufgeladen habe kamen zwar grundsätzlich auf meinem Account an. Doch die Bestaetigungs-SMS zeigte auch, dass sich meine Gespraechsminuten nicht erhöht haben. Darauf hatte ich nicht geachtet, als ich dem Buerschchen die Kohle übergab. Zur Info, da ich hier einen marginalen Betrag Roaminggebuehren in anderen Provinzen zahle kann ich noch nicht einmal angerufen werden. Jedenfalls erhoffte ich mir in einem richtigen Airtel Shop in Varanasi Hilfe. Ich erklärte wo ich die Sim Karte gekauft hatte und wo ich aufgeladen habe. Da sagt der Chef des Ladens glatt zu mir: "Du bist ein Kunde aus der Himanchal Provinz - damit haben wir nichts zu tun. Ich helfe dir nicht!"
Ich konnte gar nicht fassen, was ich da hörte. Sei Airtel denn eine andere Company in anderen Provinzen? "Nein, das nicht, aber wir haben nichts mit dir zu tun." Ich wollte ihn nicht so schnell wegkommen lassen, dann solle mir doch jemand aus Himanchal helfen. Er suchte mir die Hotline raus. Ich konnte aber noch nicht mal die Hotline anrufen mit meinem Gerät - nicht kostenfrei! Da sagte er wieder meinen Lieblingssatz "I don"t help you!". Nach etwas mehr drängen fummelte dann ein jüngerer Kollege meine Telefonnummer raus und rief mit seinem Gerät an und durchstöberte dann die eigene Firmenhomepage. Ich fragte nach 5 Minuten "Recherche" nach was denn nun der Stand der Dinge sei. "Ach so, in Himanchal sind die Systeme heruntergefahren, ich solle morgen nochmal anrufen." Danke fürs Bescheid geben. Ohne Verabschiedung verließ ich gefrustet den Laden.
Keine der 160 Städte am Ganges hat übrigens eine Kanalisation. Das heisst, was man morgens im Klo verabschiedet hat, können die frommen Hindus bei ihrem Heiligen Bad in Varanasi wiederbegruessen. Teilweise konnte ich auf Fotos die verschiedenfarbigen Zuflüsse in den braunen Strom ablichten. Es riecht an diversen Ecken schlimmer als ungepflegte DixiKlos. Trotzdem wird geplanscht. Im Reiseführer stehen ein paar Zahlen: Wenn ein Mensch badet sollten nicht mehr als 500 Bakterien pro Liter enthalten sein. In Varanasi sind es 1 bis 1,5 Millionen. Ob das stimmt oder nur von jemanden abgeschrieben ist, der auch keine Ahnung hat, weiss ich nicht. Es zeigt aber ungefähr das Gefühl, das man am Ufer hat und die Panik, davor es zu beruehren und damit den Zwietracht, wenn man die Hindus beim Baden sieht. Sie scheinen es ja zu überleben - aber würde ich den Magen-Darm-Koller überleben?
Noch ein Wort zum Lärmpegel: Tagsüber gibt es nahezu überall ein kontinuierliches Gehupe, egal ob dieses einen Sinn hat oder meist auch nicht. Ich brauche den Helm in der Stadt nicht als Schutz, falls ich im Schritttempo mal umkippen sollte. Ich brauche ihn als Ohrenstopfen! Die erste Nachthaelfte muss ich mein Gehoer gegen Affentheater und Hundegebell schützen. Die zweite Nachthälfte gegen den Muhezin (ja, ich war auch ueberrascht) und noch immer Hundegebell. Kein Wunder das die Toelen tagsüber schlafen.
Bei meinem Aufbruch aus der Stadt brauchte ich knapp 1 Stunde für die 8km zum Highway. Die Stadt hat echt ein Verkehrsproblem! Der Highway war zunächst etwas voller, besserte sich aber je weiter ich von Varanasi weg kam.
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ja, es ist die Autobahnauffahrt - fuer Mopeds |
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Herde unterwegs |
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da hat es Bumms gemacht |
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Abfahrt Varanasi |
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Zipfelmuetzenkontest |
Bei einer Teepause am Nachmittag bestellte ich 3 Tee (sind ja nur so kleine Glaeschen) und 3 Kekse. Beim Beim bezahlen hielt ich dem Typ 100 Rupien hin. Da sagte er mir es fehlen 50, denn es macht
150 Rupien (3 Euro).
-Bitte? Was kostet denn ein Tee?
-10 Rupien.
-Was kostet ein Keks?
-10 Rupien. (und das war schon beides die obere Preisspanne)
und dann haben wir das mal zusammengerechnet und ich habe mein Rueckgeld bekommen. Ich reagiere ja etwas allergisch auf so plump gieriges Verhalten. Erst recht als dann der Typ noch ein Bild mit mir und meinem Bike machen und mit mir quatschen wollte als wäre nichts gewesen...
Dann bog ich vom Highway ab Richtung Norden nach Patna. 100km Landstraße. Es ist eine der Bevölkerungsreichsten Regionen der Welt(, glaube ich). Auf den 100km brachen an den 1 bis immerhin 2spurigen Strassen die Agglomeration selten ab. Der vorhandene Verkehr musste sich automatisch an die langsamsten Teilnehmer richten: Die Fahrradrikkschas. Ueberholmanoever von beiden Verkehrsrichtungen sind dreist, sie erpressen sich den Platz: Auch wenn ich gerade auf deiner Spur beschleunige, wenn du nicht in den Graben ausweichst werden wir beide Matsch!
laut, voll, chaotisch, egoistisch, irgendwie schon anarchisch, teils Menschen-verachtend, da es eine gewisse Vorfahrtshierarchie gibt. Teurere Autos haben gegenüber Fahrrädern oder Rikkschahs immer Vorfahrt, egal ob von Rechts von Links, überholen von hinten oder frontal entgegenkommend. Und diese Verhältnis lassen sich ja nicht nur im Verkehr wiederfinden.
Wie wird das bloß weitergehen?
Wie sah es bloß vor 100 Jahren aus, als das Land noch nicht so voll war? Wie wird sich das Bevölkerungswachstum entwickeln, wenn sich Toiletten, Kanalisation und Kläranlagen durchsetzen? Arbeitslosigkeit und versteckte Arbeitslosigkeit sind jetzt schon enorm; Kleinkriminalität ist ein deutliches Thema. Wie der Subkontinent wohl aussieht wenn hier erst mal 1,5 oder 2 Mrd Inder hier wohnen und sich auf der Strasse tummeln.
Der Verkehr kollabiert schon jetzt in vielen Städten. Dann tut sich einfach nichts mehr, weil einfach überall, in jeder kleinen Lücke irgendeine Art von Fahrzeug steckt- und verstopft. Meist gibt es keinen speziellen Grund, aber ich kann den Motor ne halbe Stunde ausmachen und warten bis sich irgendwie, irgendwo was auflockert.
Trotz der Arbeitslosigkeit gibt es Kinderarbeit. Das erste mal wirkte es sehr befremdlich als in einem guten Restaurant uns ein 10 jähriger Kellner bediente. Nun ist es teils schon normal. So wie ich durch Indien toure, bekomme ich nur kleine Betriebe zu Gesicht; Gemueseverkaeufer, Hotels, Restaurants, Krämerlaeden, die ich üblicher Weise aufsuche.
Diese sind grundsätzlich Familienbetriebe. Kindergärten gibt es nicht. Babys, Kleinkinder, Schulkinder vor, nach oder während der Schule hängen im Familienbetrieb herum und helfen erst mit Kleinigkeiten, wie fegen aus, und dies steigert sich langsam. Bei der allgemeinen Arbeitseifrigkeit ist eh kein großer Unterschied, ob die Jungs auf der Straße oder im Laden herum gammeln.
Nun, ich fuhr über die Landstraßen Richtung Patna, als es dunkel wurde, ließ das Verkehrsaufkommen, insbesondere der Fußgänger nach. Und ich verlange den Friedensnobelpreis in der Medizin, da ich mit meinem Visier das Dengue Fieber in Indien im Alleingang ausgerottet habe!
Jedenfalls half es nicht dem Strassenverlauf zu folgen, -Schilder gibt es nicht durchgehend - da war ich dann mal schnell auf dem Holz, bzw. in dem Fall auf der Stein/Schotter/Schlaglochpiste. Fragen hilft meist auch nichts, da man irgendeine Antwort erhält. Oft haben die Leute selbst keine Ahnung von ihrer Stadt, oder wie es zur nächsten Provinzstadt geht. Echt erstaunlich. Anscheinend kommt der durchschnittliche Inder nicht aus seinem Dorf heraus. Er kann aber nicht zugeben, dass er keine Ahnung hat und zeigt einfach irgendwo hin. Das Verfahren kostet mich nun teils doch mal hier und da ne halbe Stunde.
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erinnerte mich an Vietnam-Kriegs-Filme |
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nochmal Bumms gemacht |
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super Strasse |
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Ja, der LKW rauscht einfach quer rueber auf meine Spur - inkl. Ueberlaenge |
Das technische Spielzeug, das ich übrigens am meisten Vermisse ist eine Helmkamera. Die hätte sich wohl gelohnt.
Die 100 km Landstrasse waren somit länger als erwartet und zogen sich ewig. Als ich in Patna ankam war es schon wieder lange dunkel. Das erste Hotel wollte 50Euro für ein gutes Zimmer, das zweite Hotel hatte keine Lizenz für Ausländer, das dritte zu teuer, das vierte sah gut aus. Es hatte an diesem jenen Tag neu eröffnet und ich sei der erste Kunde! Der Preis für das Zimmer war aber zu hoch. Da ich um 9 aber einen guten Film sehen wollte und auch keine Lust mehr hatte schlug ich für die 30Eur ein. Und prompt, als ich es ausprobieren wollte funktionierte der Fernseher nicht. Ich war enttäuscht. Der Manager bat um 20 Minuten, dann um nochmal 5 bis 10 und so weiter, ich konnte den Film vergessen, das Hotel hatte noch keinen Anschluss, angeblich hätte tagsüber der Kanal funktioniert und es sei die Schuld der Fernsehfirma. Ich blieb skeptisch. Die Dusche tröpfelte nur und ich musste die ganze Zeit einen Hebel festhalten, damit ueberhaupt was rauskam. Die Matratze war überhaupt nicht ausgepackt sondern mit Pappe und Plastik einfach bezogen worden. Ich probte den Aufstand. Was eigentlich nicht in meiner Natur liegt. Was mir versprochen wurde, wurde nicht geliefert. An der Rezeption zankte ich mich 20 Minuten mit Manager und 4 anderen Angestellten. So kannte ich mich selbst nicht. Ich bekam am Ende die Hälfte des Preises erstattet und Fruehstueck umsonst. Für ein Zimmer ohne Fernseher und ohne Dusche war es immernoch zu teuer!
Am nächsten Morgen gab es natürlich kein Fruehstueck und ich war einfach zu müde und zu bitter enttäuscht um mich zu beklagen.
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Ja, das Zimmer war eigentlich schon ganz schoen... |
Die Fahrt aus Patna heraus auf den Highway erwies sich mal wieder ohne, bzw falscher Strassenbeschilderung als Tortour. Ich fuhr durch irgendwelche Slums, die Strasse wurde zur Gasse, die Gasse führte über einen Markt - ich war genervt. Es war heiss in meinen Klamotten bei Schrittgeschwindigkeit. Der Highway per Brücke über den Ganges fuehren. Als ich ihn erreichte war dies nur eine Unterführung ohne Auffahrt. Beim zweiten Versuch fuhr ich eine große Auffahrt hoch. Ich kam auf eine Hochstrasse, die hatte aber keine Verbindung mit dem Highway und führte nicht über den Fluss. An dieser Stelle noch mal danke an den Rikkschahfahrer der mir an der richtigen Stelle die falsche Richtung wies. Es brauchte eine halbe Stunde durch den durch eine Bahnschranke lahmgelegten Verkehr wieder zur richtigen Stelle zurück zu kommen.
Insgesamt brauchte ich 1 Stunde, um aus Patna herauszukommen und eine weitere Stunde um aus der Agglomeration herauszukommen. Erst dann gönnte ich mir Fruehstueck.
Die nächste Ueberaschung war, dass der Highway von Patna zum Ost-West Highway noch gar nicht existiert. Er ist eine reine Baustelle. An dieser Stelle schönen Dank an Wikipedia. Ich brauchte für die 130km den halben Tag. Somit war die Gesamtroute, wie ich sie von Varanasi nach Darjeeling geplant hatte Kacke gewesen. Aber es gibt eine keine Informationsquelle auf die man sich für eine Planung verlassen kann. Man muss solche Ineffizienzen in diesem Land einfach hinnehmen.
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Billige Sitzplaetze |
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billige Stehplaetze |
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und dann bin ich Marco Polo doch noch begegnet... oefters sogar |
Trotz enormer Baustellen auf dem East-West-Highway (Ich war froh um meine Sanderfahrungen aus dem Iran) kam ich dann noch bis Purnia, wo ich ein perfektes Hotel fast direkt am Highway fand. Warum ist es nicht immer so?
Am nächsten Tag blieben mir nur noch 240 km bis Darjeeling. Sollte schnell gemacht sein! Das Höhenprofil sollte aber auch interessant werden! Und tatsächlich. die ersten 200km flogen nur so dahin, unterbrochen nur von Geldautomaten suchen, tanken, essen.
Doch dann sollte von Singurli der Aufstieg beginnen ausgeschildert waren nun 55km. Ich fuhr drauf los...immer an den Bahnschienen der kleinen Darjeelingbahn entlang und irgendwann auf halber Strecke begegnete mir ein Schild "Darjeeling 49km". Das kann doch einfach nicht wahr sein. Mir fiel auf, dass sich die Bevölkerung sehr verändert hat. Hier lebt eine nepalesische/tibetische Minderheit und nahezu alle sprechen ein ausgezeichnetes Englisch! Hilfsbereit und freundlich. Als ein Erdrutsch die Strasse versperrt, setzt sich ein Bursche bei mir hinten drauf und zeigt mir den 5km abenteuerlichen Umweg. Wieder was dazugelernt. Ich hätte nicht gedacht, dass die Kiste derart schwer beladen derart steil hochfahren kann ohne sich nach hinten zu überschlagen!
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nichts geht mehr - weder vorne... |
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...und erst recht nicht hinten - halbe Stunde kein Weiterkommen. |
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Baden |
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Baden 2 |
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Landschaft gibts auch in huebsch |
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typische Mahlzeit: irgendwas mit Reis und beten, dass es drin bleibt |
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billiger Truck: Eurocontainer mit Raeder |
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und schon wieder Bumms |
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Dankeeee Tankeeee |
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ordentlich beladen |
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Wo ist der Kutscher? Da ist der Kutscher! |
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Fahrrad-Schwertransport |
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Die Fahrraeder legen die Autobahn lahm |
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und dann kommen langsam die ersten Teeplantagen |
Ich kam weiter nach oben und steckte auf einmal im dicksten Nebel in dem ich mich je befand . Gut, so gesehen war ich noch nicht oft im Nebel, aber 2m Sicht war schon heftig. Ich fuhr Schrittgeschwindigkeit, bis mich jemand mit besseren Lampen überholte und ich mich an seine Ruecklichter heftete. Plötzlich STAU! bei dem dünnen Verkehr. Bei der Höhe und diesen Serpentinen/Schutt-Strassen fuhren auch schon gar keine LKWs mehr. Ich kenne es ja kaum noch anders und fuhr am Stauende einfach an der Schlange vorbei - es war knapp 1 km!!! Wie lange sammelte sich das hier schon? Dann kam mir auf einmal der Gegenverkehr entgegen und meine Spur war dicht. Ohne Zoegern bog ich rechts auf den Bordstein ab, auf die Bahngleise. Ich kam mir so clever vor. Es ging langsam, wackelig, aber immerhin bewegte ich mich im Gegensatz zum Verkehr in meiner Spur überhaupt weiter. Doch in dem dunklen nebeligen Etwas fuhr ich auf einmal in ein Loch - das Vorderrad holperte drüber, das Hinterrad steckte so tief in der Spalte, dass ich mich nicht rausbewegen konnte. Und dann kam es wie Onkel Murphy es stets besser weiss: Schuuuh, Schuuuuh von vorne. Ein Typ sprang aus dem Haus, vor dem ich gerade feststeckte, wuchtete an meinem Gepaecktraeger herum ich gab Vollgas, drehte durch und kam raus. doch die Bahngleise waren direkt am Haus, ich konnte nicht von den Gleisen herunter - es gab kein Platz! Der Typ lotste mich zwei Haeuser weiter, bei dem Nebel konnte ich es gar nicht sehen, aber dort gab es vor einer Garage etwas Platz. Ueber das Gleis gewuchtet, ausgeatmet, der Zug tuckerte vorbei...
Ich gönnte mir und dem Stau noch 10 Minuten Pause, dankte meinem Retter und fuhr die letzten km brav nach Darjeeling. Nach laengerer Suche fand ich ein super Hotel, das mir in dieser extrem huegeligen, nein eigentlich schon bergigen Stadt Platz in einer Garage zur Verfuegung stellte. Ich bin da, in Darjeeling, auch wenn ich wie Thorsten empfohlen, den Buergermeister nicht Bescheid gegeben habe...
und wer in diesem Verkehr groß geworden ist, hat Probleme zu verstehen, warum er sein Fahrrad in der Fussgängerzone schieben soll...
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